Die Arbeitswelt verlangt heute hohe Anpassungsfähigkeit, Konzentration und psychische Stabilität. Wer sich selbst gut führen kann, schützt nicht nur die eigene Gesundheit, sondern steigert zugleich Leistung und Zusammenarbeit im Team. Das Konzept PERMA‑SL verbindet die fünf PERMA‑Zutaten der Positiven Psychologie mit drei zusätzlichen Faktoren: Selbstbestimmung, Optimistic Coping und Gesundheit. Es steht auf einem breiten wissenschaftlichen Fundament und lässt sich im Arbeitskontext valide messen und anwenden.
Was unter gesunder Selbstführung zu verstehen ist
Selbstführung meint die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen bewusst so zu steuern, dass Energie, Motivation und Gesundheit langfristig erhalten bleiben. Zentrale Mechanismen liefert die Selbstbestimmungstheorie mit den Grundbedürfnissen nach Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit. Werden diese erfüllt, steigen Vitalität, Lernbereitschaft und psychisches Wohlbefinden im Arbeitskontext.11, 22
Positive Emotionen sind dabei mehr als gute Laune. Die Broaden‑and‑Build‑Theorie zeigt, dass positive Gefühle die Aufmerksamkeit erweitern und neue Denk‑ und Handlungsoptionen eröffnen. So wachsen kognitive, soziale und körperliche Ressourcen, die in schwierigen Phasen als Resilienzpuffer wirken. Eine umfangreiche Meta‑Analyse belegt zudem, dass häufige positive Affekte Leistung und Erfolg vorhersagen – nicht nur begleiten.
PERMA‑SL kompakt
Positive Emotionen fördern Kreativität, Problemlösen und Regeneration; sie bauen Ressourcen auf, die bei Belastung tragen.
Engagement entsteht, wenn Anforderungen und im Einklang, oder besser im Flow sind.
Relationships bezeichnen tragfähige Beziehungen am Arbeitsplatz. Sie erhöhen Bindung und psychologische Sicherheit und wirken als sozialer Puffer bei Stress.
Mattering und Meaning: Wichtigkeit (Mattering) entsteht durch eigene Leistung (Arbeit ist wichtig für Team / Organisation) und Anerkennung durch andere. Darauf aufbauend entsteht die Sinnerfüllung (Meaning). Wichtige Kompenenten sind die Bedeutsamkeit für andere und für mich sowie Werte und Bedürfnisse.
Accomplishment meint Fortschritt und Wirksamkeitserleben. Sichtbare Erfolge stärken Selbstvertrauen und die Erwartung, Herausforderungen zu meistern. Darunter fällt auch das bewusste Wahrnehmen von Erreichten.
Selbstbestimmung als Zusatzfaktor von PERMA‑SL knüpft direkt an die Grundbedürfnisse an. Evidenz zeigt, dass Arbeitsgestaltung mit Autonomie und Kompetenzentwicklung Motivation, Lernbereitschaft und Wohlbefinden erhöht.11, 19
Optimistic Coping steht für konstruktive Bewältigung, etwa kognitives Umdeuten, lösungsorientiertes Handeln und soziale Unterstützung. Forschung aus Arbeitspsychologie und BGM zeigt, dass solche Strategien psychische Belastungen senken und Leistungsfähigkeit erhalten. 20

Tipp: Die PERMA-SL 8 Faktoren für gesunde Selbstführung
Hier gehts zum Teil 1: Positive Emotionen

Der individuelle Nutzen: Weniger Belastung, mehr Energie, bessere Leistung
Wenn Grundbedürfnisse erfüllt und Ressourcen verfügbar sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Flow‑Erleben und nachhaltige Motivation. Das JD‑R‑Modell belegt in zahlreichen Studien, dass Ressourcen sowohl Belastungsfolgen abmildern als auch die motivationale Seite stärken. Sichtbar wird dies in höherer Arbeitszufriedenheit, geringerer Erschöpfung sowie mehr Initiative und Lernverhalten.
Gesundheit bildet das Fundament. Evaluierte Trainings zur gesundheitsförderlichen Selbstführung verbessern Achtsamkeit, Selbstfürsorge und sogar physiologische Marker. 18
Auf der emotionalen Ebene sorgt die gezielte Kultivierung positiver Momente für mehr kognitive Flexibilität und Problemlösefähigkeit. Das ist ein Leistungsfaktor: Menschen mit häufigeren positiven Affekten agieren in Experimenten produktiver und sozial kompetenter und erzielen in Längsschnittdaten später bessere Ergebnisse.
Selbstbestimmung verstärkt diesen Effekt. Wer den eigenen Arbeitsalltag mitgestalten kann, erlebt Kompetenzzuwachs, Sinn und Zugehörigkeit. Studien in wissensintensiven Projekten zeigen genau diese Zusammenhänge zwischen Autonomie, Motivation und wahrgenommener Arbeitssouveränität. 11,19
Optimistic Coping wirkt wie eine mentale Muskelgruppe. Konstruktive Strategien reduzieren Beanspruchung und schützen vor Erschöpfung. Übersichtsarbeiten empfehlen, positive kognitive Strategien mit problemlösendem Handeln und sozialer Unterstützung zu kombinieren. 20
Der Nutzen für Unternehmen: Produktivität, Sicherheit und Rendite

Die Verbindung von Engagement und Geschäftsergebnissen ist auf Ebene von Geschäftseinheiten gut belegt. Eine Meta‑Analyse über 7.939 Einheiten in 36 Unternehmen zeigt robuste Zusammenhänge mit Produktivität, Profit, Qualität, geringerer Fluktuation und weniger Arbeitsunfällen.
Auch betriebliche Gesundheitsprogramme zahlen sich aus, wenn sie gut designt sind. Eine viel zitierte Meta‑Analyse berichtet deutliche Einsparungen bei Gesundheitskosten und Fehlzeiten je investiertem Betrag, und große Evaluationsberichte beschreiben die Erfolgsfaktoren in der Umsetzung, etwa Führungseinbindung, strategische Ausrichtung und niederschwelligen Zugang. 10
Führung hat darüber hinaus einen direkten Einfluss auf mentale Gesundheit. Eine umfassende Meta‑Analyse zeigt, dass transformationale, beziehungsorientierte und strukturierende Führung mit besserer psychischer Gesundheit verbunden sind, destruktives Führungsverhalten dagegen starke negative Effekte hat. Mentale Gesundheit erklärt einen Teil der Leistungsunterschiede, die durch Führung entstehen. 11
Arbeitsbedingungen und Gesundheit: Was Forschung zu Zeit, Erholung und Belastung sagt
Gesunde Selbstführung braucht Rahmenbedingungen. Arbeitswissenschaftliche Befunde zeigen, dass lange Arbeitszeiten, unterbrochene Ruhezeiten und das Auslassen von Pausen die Gesundheit gefährden und die Leistungsfähigkeit mindern. Flexible Arbeitszeitmodelle wirken nur dann positiv, wenn Erholungszeiten verlässlich gesichert sind. 12
Chronische Arbeitsbelastung steigert zudem medizinische Risiken. Eine große europäische Zusammenführung individueller Daten zeigt, dass dauerhaft hoher Druck am Arbeitsplatz das Risiko für koronare Herzkrankheit erhöht. Ebenso belegt ist, dass ein gesunder Lebensstil selbst bei hoher Belastung das Erkrankungsrisiko deutlich reduziert. Das spricht für doppelte Prävention: Belastungsreduktion in Strukturen plus Förderung gesunder Gewohnheiten. 13,14
Die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation empfehlen daher ein Bündel von Maßnahmen: organisationale Interventionen wie Arbeitsgestaltung und klare Prozesse, Training für Führungskräfte und Mitarbeitende sowie evidenzbasierte individuelle Angebote. Ziel ist es, Risiken zu senken, mentale Gesundheit zu fördern und die Teilhabe Betroffener zu sichern. 15
Umsetzung von PERMA‑SL in der Praxis
- Positive Emotionen kultivieren
Miniroutinen wirken stark. Die Übung „Three Good Things Exersice“ fokussiert den Blick auf Gelungenes. Kurze Achtsamkeits‑Momente zwischen Aufgabenwechseln reduzieren kognitive Reibung. Solche Mikro‑Interventionen fördern Flexibilität und Ressourcenaufbau. - Engagement ermöglichen
Aufgaben so strukturieren, dass sie Konzentration erlauben. Klare Ziele, unmittelbares Feedback und störungsarme Phasen begünstigen Flow. Führung sollte Hindernisse entfernen und Ressourcen gezielt bereitstellen, wie es das JD‑R nahelegt. - Beziehungen stärken
Regelmäßige kurze Check‑ins zu Befindlichkeit und Prioritäten, Peer‑Coaching und bewusstes Danken erhöhen Vertrauen und Teamkohäsion. Positive Affekte erleichtern soziale Resonanz und Kooperation. - Sinn sichtbar machen
Die Frage „wozu“ verknüpft Arbeit mit Bedeutung. Teams profitieren von klarem Zweck, gemeinsamem Nutzen und konkretem Kundenbezug. Sinn stiftet Ausdauer und reduziert Zynismus. - Erfolge feiern
Kleine Fortschritte sichtbar machen. Minimale Ziel‑Schritte, Tages‑Reviews und Lernjournale stärken Wirksamkeitserleben und Selbstvertrauen. - Selbstbestimmung fördern
Handlungsspielräume explizit klären. Wo kann die Reihenfolge der Arbeit selbst festgelegt werden, welche Methoden sind frei wählbar, welche Ressourcen stehen bereit. Evidenz zeigt, dass erlebte Autonomie Motivation und Gesundheit stützt. 11,19 - Optimistic Coping trainieren
Drei Schritte haben sich bewährt: Bewertung prüfen, nächsten wirksamen Schritt planen, Unterstützung aktiv einholen. So wird aus Druck eine gestaltbare Aufgabe.20 - Gesundheit in den Alltag einbauen
Erholung planen, nicht hoffen. Pausen rhythmisieren, Schlaf schützen, Bewegung und Ernährung alltagsfähig machen. Evaluierte Trainings zur gesundheitsförderlichen Selbstführung zeigen Verbesserungen bei Achtsamkeit und Physiologie; arbeitszeitliche Regeln sichern die Wirkung ab. 12
Wirtschaftliche Perspektive: Wie sich Investitionen in Selbstführung und Gesundheit auszahlen
Die Verbindung von Kultur, Gesundheit und Ergebnissen ist nicht linear, aber konsistent. Geschäftsbereiche mit höherem Engagement zeigen bessere Kennzahlen bei Produktivität, Qualität, Fluktuation und Sicherheit.
Ökonomisch lohnt sich ein seriöses Gesundheitsmanagement besonders, wenn es in Strategie, Führung und Prozesse integriert ist. Programme mit klaren Zielen, relevanten Inhalten und niedrigschwelligem Zugang berichten deutliche Einsparungen bei Gesundheitskosten und Fehlzeiten. Evaluationsstudien zeigen, welche Gestaltungsmerkmale den Unterschied machen, etwa mehrstufige Ansprache, Datenfeedback und Partnernetzwerke. 10
Gleichzeitig gilt: Individuelle Maßnahmen können schlechte Strukturen nicht kompensieren. Arbeitszeitgestaltung, verlässliche Pausen und realistische Lastenverteilung sind unverzichtbar. Eine kluge Kombination aus Strukturarbeit und individueller Förderung entspricht den internationalen Leitlinien und reduziert Risiken dauerhaft. 12, 15

Konkreter Start als Mitarbeiter*in bzw. als Führungskraft
Als Mitarbeiter*in
Beginne heute mit einer PERMA‑Morgenminute: Sinnbezug des Tages notieren, ersten machbaren Schritt definieren, einer Person danken. Plane zwei kurze Erholungspausen und schließe den Tag mit einem Fortschritts‑Review ab. Diese Routine stärkt Positive Emotion, Sinn und Wirksamkeit.
Analysiere wöchentlich deine persönlichen Ressourcen und Anforderungen. Wo brauchst du mehr Klarheit, Feedback oder Zeitblöcke. Formuliere konkrete Bitten an dein Umfeld. Das erhöht Autonomie‑ und Kompetenzempfinden und entlastet nachhaltig. 11
Übe optimistisches Problemlösen. Frage dich bei jedem Stolperstein, welche Deutung hilft, was der nächste kleinste Schritt ist und wer unterstützen kann. 20
Als Führungskraft
Sorge für psychologische Sicherheit und klare Prioritäten. Kläre Ziele, Grenzen und Freiheitsgrade gemeinsam. Entferne Hindernisse, stelle Ressourcen bereit und erkenne Fortschritte an. So hebst du die motivationale Seite des JD‑R‑Hebels und reduzierst Überlastung. 11
Führe gesund. Plane Pausen und Erholung sichtbar ein, vermeide Meeting‑Kaskaden und reagiere früh auf Anzeichen von Erschöpfung. Führungsstil beeinflusst die mentale Gesundheit des Teams spürbar – und damit auch die Leistung. 11, 12
Investiere in wirksame Programme. Binde Führung ein, definiere Erfolgskennzahlen und evaluiere regelmäßig. Setze auf evidenzbasierte Inhalte wie Schlaf, Bewegung, Stressbewältigung und Selbstführung, kombiniert mit strukturellen Verbesserungen. 10, 15
Fazit
Gesunde Selbstführung nach PERMA‑SL ist ein strategischer Hebel. Sie steigert individuelles Wohlbefinden, verringert Belastungsfolgen und erhöht die Wahrscheinlichkeit für kreative Lösungen, produktive Zusammenarbeit und robuste Ergebnisse. Die wissenschaftliche Evidenz ist breit: von Grundbedürfnissen und Emotionstheorie über Arbeitsgestaltungsmodelle bis zu Führung, Prävention und Leitlinien.
Quellenverzeichnis
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