Quiet Quitting: Modewort, etwas ganz normales oder ein Warnsignal?

In diesen eudaimonischen Notizen beschäftigen wir uns mit dem Begriff des „quiet quitting“. Das wird manchmal übersetzt „mit der stillen Kündigung“. Ist das zu kurz gegriffen oder bedarf es hier eine näheren Betrachtung?

Eudaimonische Notizen als Video

Effort-Reward-Imbalance (ERI-Modell): Wenn Anforderungen und Anerkennung im Ungleichgewicht sind

Um dieser Frage nachzugehen möchte ich Ihnen gerne ein Modell aus der Arbeitspsychologie vorstellen: Das ERI-Modell – Kurzfassung für Effort-Reward-Imbalance-Modell. Man kann es sich wie eine Waage mit zwei Waagschalen vorstellen. Auf der einen Seite die Efforts, also die Anforderungen wie Zeitdrruck Arbeitsmenge und so weiter. Auf der anderen Seite die Rewards, unter anderem auch soziale Belohnungen wie Anerkennung, Wertschätzung, Feedback und so weiter.

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ERI-Modell: Effort-Reward-Imbalance (nach Siegrist) mit einem ERR größer 1,5

Hier kann man hier einen Vergleichswert berechnen: Wie hoch sind die Belohnungen im Vergleich zu den Anforderungen? Sind die Rewards viel niedriger als die Anforderungen ist der Effort-Reward-Ratio über 1,5 und dann geht’s in den gesundheitsgefährdeten Bereich. Vorerst mit kurzen Ausfällen, dann eventuell mit längeren Ausfällen durch Erschöpfungsphasen oder eben mit der Diagnose Burnout. Im ERI-Modell kommt noch ein zweiter Effekt hinzu: Nämlich der individuelle Lösungsversuch des einzelnen Mitarbeiters. Manchmal versuchen Mitarbeiter durch sogenanntes Überengagement (im Original Overcommitment) schlechte Arbeitsbedingungen – frei nach dem Motto:

„Das muss ja gehen!“ zu kompensieren. So ist der ERR vermeintlich wieder unter die 1,5, und man glaubt nicht in gesundheitsgefährdeten Bereich zu sein. Von außen könnte man noch meinen „Es passt eigentlich eh alles!“ Besser wäre es, man vermeidet das Overcommitment. Wenn man im Overcommitment ist, ist man beim gesundheitsgefährdeten Bereich.

Quiet Quitting: Eine gefährliche Zwischenstufe?

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Quiet Quitting: Eine gefährliche Zwischenstufe.

Jetzt kommen wir zurück zum „Quiet Quitting“.  Es wird definiert, dass Menschen nicht mehr die extra Meile gehen wollen oder zusätzliche Aufgaben erfüllen wollen. Manchmal auch mit dem Unterton „Ja die Jugend von heute, die jungen Mitarbeiter – die Generation Why möchte einfach nicht mehr so richtig arbeiten.“ Dabei machen Sie eigentlich etwas sehr Schlaues: „Wir gehen nämlich nicht mehr ins Overcommitment!“

Overcommitment: Mit Mehrleistung schlechte Arbeitsbedingungen kompensieren (wollen)

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Overcommitment: Mit Mehrleistung schlechte Arbeitsbedingungen kompensieren (wollen)

Quiet Quiting: Die Antithese zum Overcommitment?

Ich möchte gerne diesen Begriff noch eine Spur weiter entwickeln. Ist „Quiet Quitting“ auf der einen Seite etwas normales, was eigentlich schon immer da gewesen ist, und jetzt wird unter dem neuen Begriff wieder auftaucht? Oder es ist ja Vorstufe zur inneren Kündigung? In unserem Modell haben wir jetzt hier unten das ERR (Effort-Reward-Ratio) aufgezeichnet.

Quiet Quiting: Die Antithese zum Overcommitment?

Wie schon erwähnt, ab 1,5 wird es gesundheitsgefährdet. Auch ein dauerhaftes Overcommitment würde ich in diesem Bereich ansiedeln. Also ist das  „Quiet Quitting“ einerseits ein Übergang vom Overcommitment in Richtung Normalität: „Ab jetzt versuche ich nicht mehr die extra Meile zu gehen. Ich versuch vielleicht pünktlich nach Hause zu gehen oder am Wochenende keine beruflichen E-Mails mehr zu lesen. Also ich möchte arbeiten, nur wenn auch Arbeitszeit ist, und ich mache die Aufträge für dich auch bezahlt werde. Wenn ich das schaffe, gehe ich in Richtung des grünen Bereichs.“

Balanced Commitment: Gesunde Selbstführung meets potenzialfokussierte Führung

Das ist eigentlich alles okay. Man könnte dies auch als eine ausbalancierte Distanzierung oder eine gesundheitsförderliche Selbstführung nennen. Es kann aber auf der anderen Seite, wenn dies nicht gelingt, eine Vorstufe für die innere Kündigung sein. Wenn es gelingt, könnte es in den grünen Bereich gehen, ins Balanced Commitment.

Das heißt, dass die Anforderungen mit den Belohnungen in Einklang sind, und dass die Mitarbeiter*innen nicht ins Overcommitment gehen.

Deshalb plädiere ich dafür das „Quiet Quitting“ durchaus ernst zu nehmen. Es kann in beide Richtungen gehen: Es kann ein Vorbote für die innere Kündigung sein und im besten Fall eine Übergangsstufe hin zum Balanced Commitment, wenn die Anforderungen und die Belohnungen halbwegs ausgeglichen sind.

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Balanced Commitent: Im Idealfall „treffen“ sich Positive Self-Leadership (gesunde Selbstführung) mit Positive Leadership (potenzialfokussierter Führung)

Damit das auch gut funktioniert noch zwei Anregungen dazu: Auf der einen Seite der einzelne Mitarbeiter ist dafür zuständig, auf sein Wohlbefinden zu achten und seine Gesundheit zu achten. Manchmal sich selbst Grenzen zu setzen. In der Psychologie nennen wir das Positive Self-Leadership. Man könnte auch sagen gesundheitsförderliche Selbstführung. Wie die Arbeitsplatzgestaltung und das Zusammenleben zwischen Führungskräften und deren Mitarbeiter*innen gut funktionieren kann, finden sich diverse Ansätze der positiven Führungsarbeit im Sinne der Positiven Psychologie – allen voran das Positive Leadership nach dem PERMA-Lead-Modell. Helfen Sie mit gehen sie mit lassen Sie sich anregen um die Arbeitswelt ein Stück besser zu machen.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! Sie machen das gut & alles Gute Ihr

Gottfried Epp

Lesetipp

ERI-Modell | Glossar der Positiven Psychologie

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